Am oberen Rand des Weilers Leis ob Vals stand ein historisches Gebäude, das bei der Valser Bevölkerung als «Oberhus» oder «Hansjörisch Hus» bekannt war. Es handelte sich um ein Bauernhaus, das vermutlich im frühen 18. Jahrhundert zum damals üblichen Doppelhaus erweitert wurde und ausserordentlich viel seiner barocken Substanz ins 21. Jahrhundert hat retten können. Im Kern der Anlage steckten ältere Teile, die möglicherweise in die Zeit des Übergangs vom Spätmittelalter in die Neuzeit zurückreichten. Das Haus hatte einen hohen Seltenheitswert: Es gab im ganzen Lugnez kaum mehr unberührte Häuser dieser Art. Zudem lag es 1450 m ü.M. und war damit ein wichtiger Zeuge der frühen dauerhaften Besiedelung des Tales auf dieser Höhe. Der Hof Leis wurde 1537 erstmals erwähnt. Möglicherweise stammten die ältesten Teile des «Oberhus» aus dieser Zeit. Durch seine exponierte Stellung am Rande des Weilers kam ihm auch im Ortsbild von Leis eine hervorragende Bedeutung zu.
Im Januar 2017 reichte der Eigentümer des leerstehenden Hauses bei der Gemeinde Vals ein Gesuch um Abbruch des wertvollen Bauwerks ein, um an dessen Stelle einen Neubau errichten zu können. Im April 2018 wurde das Baugesuch zurückgezogen – nur um im Juni 2018 in leicht modifizierter Form neu aufgelegt zu werden. Wie aufs erste hat der Bündner Heimatschutz auch auf das zweite Baugesuch mit einer kritischen Stellungnahme reagiert. Moniert wurde einerseits die ortsuntypische Gestalt des Ersatzneubaus als steinernes Gebäude inmitten eines von Holzbauten geprägten wertvollen Ensembles, vor allem aber der drohende Verlust des historischen Gebäudes selbst, bei dem es sich zweifellos um das eindrücklichste historische Haus auf Leis handelt. Geradezu beispielhaft zeigt dieses Gebäude auf, wie man früher mit sehr beschränkten Mitteln mit einer äusserst schwierigen Topographie umzugehen verstand.
In Sorge um den Verlust eines überregional bedeutenden Baudenkmals gelangte der Bündner Heimatschutz im September 2018 an die Regierung des Kantons mit der Bitte, Massnahmen für eine Unterschutzstellung des Gebäudes nach Art. 27 des kantonalen Natur- und Heimatschutzgesetzes einzuleiten. Der Kanton nahm in der Folge das Verfahren für eine allfällige vorsorgliche Unterschutzstellung des «Jörihus» auf. Gemeinde und Eigentümer bekamen vom Kanton die Möglichkeit zur Einreichung einer schriftlichen Stellungnahme. Ihrem Gesuch um Erstreckung der Vernehmlassungsfrist bis 30. November 2018 kam der Kanton entgegen.
Anlässlich seiner Sitzung am 26. November hat der Gemeinderat von Vals das Baugesuch, das einen Abbruch des «Hansjörisch Hus» impliziert, bewilligt bzw. die gegen das Projekt eingegangenen Einsprachen abgelehnt. Der Entscheid wurde dem Eigentümer am 27. November 2018 zugestellt. Bereits am 28. November 2018 liess dieser in Leis die Bagger auffahren und das Gebäude demolieren.
Mit diesem Vorgehen wurde das Unterschutzstellungverfahren des Kantons kalt unterlaufen. Zudem wurde den zur Beschwerde legitimierten Einsprechern die Möglichkeit genommen, eine aufschiebende Wirkung für die erteilte Baubewilligung zu erwirken. Mutwillig und während eines laufenden Verfahrens hat man hier ein Baudenkmal zerstört.
«Hansjörisch Hus»
7132 Leis ob Vals
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Bündner Heimatschutz
Ludmila Seifert, Geschäftsleiterin
Abbruch eines historischen Hauses landet vor Verwaltungsgericht
Regionaljournal Graubünden, 4. Dezember 2018
Skandalöser Abbruch eines Baudenkmals in Vals-Leis
Daniel Schmid, Südostschweiz, 29. November 2018
Skandalöser Abbruch eines Baudenkmals in Leis (Gemeinde Vals)
Bündner Heimatschutz, 29. November 2018