Text: Marco Guetg, Journalist
Fotos: Marion Nitsch, Fotografin
Dieser Artikel erschien in der Ausgabe 2/2020 unserer Zeitschrift Heimatschutz/Patrimoine.
Es wurden ein paar neue Ausbildungsangebote geschaffen und die bestehenden konnten erhalten werden. Das genügt aber bei Weitem nicht. Der Bedarf an gut ausgebildeten Fachleuten in der Raumplanung ist enorm. Vor allem die beiden ETHs stehen diesbezüglich in der Pflicht. Wir müssen aber auch das Interesse von Jugendlichen am Beruf des Raumplaners wecken.
Der Planer steht mitten im Leben. Er kann den Raum wie auch die Umwelt gestalten, begegnet vielen Menschen und muss interdisziplinär denken. Das wiederum bietet ihm die Chance, mit Fachleuten aus den unterschiedlichsten Disziplinen in Kontakt zu treten … Kurzum: Raumplaner ist ein faszinierender Job …
… was mich sehr überrascht und gefreut hat – vor allem ein Aspekt in der Laudatio: Ich sei ein Brückenbauer und bilde – natürlich auch bedingt durch die Rolle des Verbandes – eine Schnittstelle zwischen den Kantonen und den Gemeinden. Besonders erwähnt wurde auch mein Einsatz für die Wissenschaft und Forschung und mein Bemühen, diese Erkenntnisse in die Praxis zu tragen.
Vor allem mit dem Vollzug des neuen Raumplanungsgesetzes von 1979. Es entstanden die ersten kantonalen Richtpläne, die der Bund jeweils unbesehen genehmigte. Das ergab Reibungsflächen. Immer zentraler wurde auch der Umweltschutz. Man sprach vom Waldsterben, von verschmutzten Gewässern. Diese Anliegen verdrängten jene der Raumplanung. Es war ein grosses Verdienst des damaligen VLP-Direktors Rudolf Stüdeli, dass er den Verband neu positioniert und den Umweltschutz ins Programm aufgenommen hat. Was eigentlich naheliegend war: Raumplanung und Umweltschutz hängen zusammen. Meine Aufgabe bei der VLP bestand zu Beginn denn auch darin, diese zwei Bereiche zusammenzuführen. Wie wichtig diese Doppelsicht war, zeigte sich, als in den 1990er-Jahren überall in der Schweiz Einkaufszentren und Fachmärkte entstanden mit den bekannten Folgen: mehr Verkehr, mehr Lärm, mehr Luftverschmutzung.
Das Bewusstsein dafür schärfte sich zunehmend, flachte dann Anfang der 1990er-Jahre und mit der Immobilienkrise wieder ab. Wenn die Wirtschaft Probleme hat, haben Umweltthemen wie Anliegen der Raumplanung einen schwierigen Stand. Eine neue Sensibilisierung brachte der Bauboom der 2000er-Jahre.
Na ja …, aber es beeindruckt mich schon, was in den letzten Jahren passiert ist. Die neuen Richtpläne der Kantone sind inzwischen um Welten besser. Viele Kantone haben das Heft in die Hand genommen und setzen Rückzonungen durch. Eine Herkulesarbeit! Jetzt müssen nur noch die Gemeinden nachziehen. Aber auch dort gibt es schon positive Beispiele.
Seither haben wir das Siedlungswachstum tatsächlich viel besser im Griff. Die verschärften Vorschriften haben einen Paradigmenwechsel von der Aussen- zur Innenentwicklung herbeigeführt. Die Trennung zwischen Baugebiet und Nichtbaugebiet ist eine der wichtigsten raumplanerischen Errungenschaften. Ohne diese Eingriffe hätte sich die Schweiz zu einer überbauten Parklandschaft mit etwas Grün dazwischen entwickelt. Grosse Sorgen bereitet mir hingegen die rege Bautätigkeit ausserhalb der Bauzonen.
Die muss er in den Griff kriegen, all die Ökonomiegebäude, normierten Masthallen, Freizeitanlagen … Natürlich kenne ich die Vorschriften des Tierschutzes und weiss, unter welchem Wettbewerbsdruck die Landwirte stehen. Dennoch bin ich überzeugt: Bei der Wahl der Standorte, der Einordnung in das Bestehende oder der Qualität der Bauten gäbe es häufig bessere Lösungen. Besonders wichtig erscheinen mir zwei Aspekte, die in der zweiten Revision des RPG vorgesehen sind: das Kompensationsanliegen und die Beseitigungspflicht.
Der Landwirtschaft ging die Revision zu weit. Die Umweltverbände monierten die zu starke Öffnung. So entstand im Nationalrat eine Mehrheit für Nichteintreten. Im Unterschied zu den Umweltverbänden bin ich der Meinung, man sollte auf die Vorlage des Bundesrates eintreten und sie im parlamentarischen Prozess verbessern.
Früher oder später kommt das Parlament auf den Entwurf des Bundesrates zurück und verbessert ihn.
Vor allem die Landschaftsinitiative. Sie zielt auf das Bauen ausserhalb der Bauzone. Erinnern wir uns: Bei der ersten Revision des RPG von 2012 hatte das Parlament die vorherige Landschaftsinitiative der Umweltverbände im Nacken. Ohne diesen Druck wäre diese Revision nie so streng ausgefallen. Das könnte sich jetzt wiederholen. Ich finde die Landschaftsinitiative mit ihrer Forderung, dass der Bestand an Bauten ausserhalb der Bauzone nicht vergrössert werden darf, eine gute Zielnorm nach dem Grundsatz: Bewilligt man ausserhalb der Bauzone einen neuen Bau, muss irgendwo ein alter beseitigt werden.
Weniger, aber sie ist wichtig. Wird die Biodiversität in einem Verfassungsartikel festgehalten, muss dieser Aspekt künftig beim Bauen ausserhalb der Bauzone zwangsläufig mitberücksichtigt werden. Wenn Biodiversitätsflächen, Natur- und Kulturdenkmäler sowie Ortsbilder geschützt sind, erhält dies in der Interessenabwägung besonderes Gewicht.
Ja. Das Gesetz schreibt vor: Innenentwicklung statt Aussenentwicklung. Das birgt zwangsläufig Konflikte. Hinzu kommt, dass das Bundesgericht 2009 festhielt, dass das Inventar der schützenswerten Ortsbilder der Schweiz (ISOS) nicht nur bei der Erfüllung einer Bundesaufgabe, sondern auch von den Kantonen und Gemeinden zu berücksichtigen ist. Eigentlich ist das ISOS ein Geschenk. Welches Land hat schon ein Inventar, in dem Ortsbilder von nationaler Bedeutung, derart gut dokumentiert wird? Daher finde ich es auch wenig sinnvoll, wenn im Parlament stets von Neuem versucht wird, die Vorgaben des ISOS zu lockern. Aber ich weiss: Das ISOS und seine Anwendung sind eine anspruchsvolle Angelegenheit. Der rechtliche Stellenwert des Inventars ist nicht ohne Weiteres ersichtlich, und entsprechend sind auch die Rollen der einzelnen Akteure – Grundeigentümer, Bewilligungsbehörden und begutachtende Fachkommissionen des Bundes (ENHK, EKD) – unklar. Hinzu kommt, dass die Inventarisierungen teilweise sehr alt sind und sich die umschriebenen Ortsbilder aufgrund der baulichen Entwicklung stark verändert haben.
Die Antwort gibt das RPG: Es verlangt eine hochwertige Verdichtung. Zentral ist für mich dabei der Umgang mit dem Ortsbild und somit mit dem baukulturellen Erbe. Weshalb haben viele Menschen ein Unbehagen gegenüber der heutigen Entwicklung? Es ist nicht nur auf den Verlust des Kulturlands und die Zerstörung der Landschaft zurückzuführen, sondern auch, weil dem Ortsbildschutz zu wenig Rechnung getragen wird. Städte und Dörfer werden entwickelt, ohne dass man sich mit der Geschichte, der Struktur und den Besonderheiten eines Ortes auseinandersetzt. Das Ergebnis sind nicht selten anonyme, gesichtslose Siedlungen, in denen sich die Menschen entwurzelt und nicht mehr heimisch fühlen.
… und daher immer einen guten Austausch. Seit die Innenentwicklung noch stärker zum Thema geworden ist, hat sich unsere Zusammenarbeit intensiviert – auch in Bezug auf die Förderung der Baukultur. Grundsätzlich muss ich dem Schweizer Heimatschutz ein Kränzchen winden: für seinen extrem guten Auftritt und wie er sich in den letzten Jahren immer wieder neuen Themen zugewendet hat.
Ein guter Zeitpunkt für diesen Blick, denn zur Innenentwicklung gehören auch die Frei- und Grünräume und ihr Bezug zum Aus-senraum, zur Landschaft. Verzahntes Denken ist heute nötiger denn je, denn neben der Verdichtung verlangt auch der Klimawandel einen Fokus auf Grün- und Freiräume. In dieser Hinsicht haben die Städte bereits viel unternommen. Jetzt muss man schauen, dass diese Errungenschaften auch unter dem Druck der Verdichtung erhalten bleiben.
Die landschaftlichen Perlen sind durch Inventare geschützt. Wir haben aber auch Alltagslandschaften. Sie sind wertvoll und gefährdet. Ihre Zerstörung kommt schleichend und beinahe unbemerkt. Hier müssen wir achtsam sein. Deshalb braucht es auch strenge Vorschriften zum Bauen ausserhalb der Bauzone.
Ja, aber mit einem viel kleineren Arbeitspensum. Was ich in all den Jahren an Wissen und Erfahrung angesammelt habe, möchte ich gerne weitergeben.
Lukas Bühlmann ist Jurist und lebt in Rosshäusern, im Westen der Stadt Bern. Nach dem Studium an der Universität Bern arbeitete er vorerst beim Sekretariat der Kartellkommission, danach bei jenem der Finanzdelegation der eidgenössischen Räte. 1986 wechselte er in den Rechtsdienst des Bundesamts für Raumplanung. Dort hat er entdeckt, was ihn seither fasziniert: die Beschäftigung mit der Umwelt, dem Kultur- und dem Lebensraum. Nach vier Jahren wechselte er zum Schweizer Verband für Raumplanung (VLP-ASPAN, heute EspaceSuisse), den er von 2003 bis zu seiner Frühpensionierung 2019 leitete. Seit Mai 2020 gibt der Doyen der Schweizer Raumplanung in Bern Wissen und Erfahrung über seine Beratungsfirma Bellaria Raumentwicklung weiter.