Text: Karin Salm, Kulturjournalistin
Fotos: Marion Nitsch, Fotografin
Dieser Artikel erschien in der Ausgabe 3/2023 unserer Zeitschrift Heimatschutz/Patrimoine.
JR: Als ich damals als junge Gartendenkmalpflegerin in die Kommission berufen wurde, bedeutete es vor allem Würde. Es war etwas Neuartiges, in der Schweiz gab es nichts Vergleichbares. Wir mussten am Anfang intensiv klären, was man mit diesem Preis erreichen will. Dies erwies sich auch als Bürde, weil die Vorstellungen sehr vielfältig waren.
JR: Klar – dieses Umfassende ist auch Fluch und Segen. Wir haben am Anfang gemerkt, dass das Stifterehepaar zwar die Gartenkultur fördern wollte, aber der private Garten im Vordergrund stand. So war viel Austausch nötig, um aufzeigen zu können, dass das Spektrum viel breiter ist und dass zur Förderung der Gartenkultur eben auch die öffentlichen Anlagen, die Forschung und Institutionen dazu gehören. Als Landschaftsarchitektin und Gartendenkmalpflegerin hat mich gerade dieses breite Spektrum interessiert und fasziniert.
CM: Die Landschaftsarchitektur ist meine Leidenschaft – diesem Thema mehr Sichtbarkeit zu verhelfen, ist mein Antrieb und erfüllt mich mit Begeisterung. Als Präsidentin kann ich von der ganzen Aufbauarbeit meiner Vorgängerinnen und Vorgänger profitieren und ich hatte das Privileg, auf einen fahrenden Dampfer aufzusteigen: Der Schulthess Gartenpreis ist bekannt und etabliert. Auf der anderen Seite sind in den letzten 25 Jahren ähnliche Preise entstanden. Zum Beispiel Hochparterres «Hasen» im Bereich der Landschaftsarchitektur, die Auszeichnung «Landschaft des Jahres» der Stiftung Landschaftsschutz Schweiz oder der Binding Preis für Biodiversität. Weil es da einige Überschneidungen gibt, stellt sich für uns nun die Frage, wie wir unseren Preis schärfen.
JR: Keinesfalls! Diese Heterogenität ist spannend, entspricht dem Wesen der Gartenkultur und zeigt, wie vielseitig und -schichtig das Thema ist. Wir haben immer versucht, bei jedem Preis etwas ganz Grundsätzliches anzusprechen, das zur Gartenkultur gehört. Nehmen wir das Motto «Pflanzensammlungen» (1998): Da haben wir Menschen entdeckt, die ihr Wirken in den Dienst einzelner Pflanzen gestellt haben. Dieses Engagement hat ein neues Licht auf unsere Profession geworfen. Dass einzelne Exponenten aus der zeitgenössischen Landschaftsarchitektur ausgezeichnet wurden, gehört zu den glücklichsten Momenten meiner Präsidiumszeit. Hier möchte ich Fred Eicher (2004) hervorheben. Seine Anlagen galten als elitär und wurden zu wenig verstanden. Sein Hauptwerk, der Friedhof Eichbühl, erhielt mit dem Schulthess Gartenpreis die längst fällige Würdigung, so dass die Anlage von unsachgemässen «Verschönerungen» befreit werden konnte und heute in ihrer originalen Schönheit zu erleben ist.
JR: Nein – nicht direkt. Aber ich konnte zwei hervorragende Köpfe – nämlich die Landschaftsarchitekten Günther Vogt und Rainer Zulauf für die Kommission gewinnen, und sie haben den Vorschlag entwickelt. Für die Zürcher Gartendenkmalpflege war der Preis damals sehr hilfreich.
CM: Ein interessantes Beispiel ist für mich der Ballypark (2016): Damit wurden drei Gemeinden ausgezeichnet, weil sie trotz beschränkter Ressourcen entschieden haben, den Unterhalt der Anlage zu übernehmen und damit dafür zu sorgen, dass der Park weiterhin für die Öffentlichkeit zugänglich bleibt. Diese Leistung mit einem nationalen Gartenpreis auszuzeichnen, ist wertvoll und unterstreicht die Bedeutung des kommunalen Engagements. Generell geht es darum, den Wert der Grünräume hervorzuheben, und ich bin überzeugt, dass der Schulthess Gartenpreis wichtige Impulse setzen kann. Auch die Stiftung ProSpecieRara (2021) war eine würdige Preisträgerin – auch wenn diese Nominierung auf den ersten Blick vielleicht schwer verständlich war. Denn hinter dem Erhalt von alten Sorten steckt immens viel Freiwilligenarbeit, und alte Sorten sind wiederum wichtig und interessant für historische Gartenanlagen. Darum: Die Reihe der Preisträgerinnen und Preisträger mag auf den ersten Blick heterogen wirken, aber jeder Preis würdigt einen zentralen Beitrag zur Gartenkultur.
CM: Natürlich kann man sich fragen, ob ein Kastanienwald ein Garten ist. Aber wenn wir die innere Verdichtung betrachten, gewinnen genau solche Orte, die immer mehr von der Bebauung eingeholt werden, als Naherholungsgebiete an Bedeutung. Der Gartenpreis soll sensibilisieren, aufzeigen, was zur Gartenkultur gehört und welche Wirkung Grünräume erzeugen.
CM: Das haben wir tatsächlich diskutiert. Aber es ist auch wichtig, sich voneinander abzugrenzen. So werden Ergänzungen möglich. Uster hat zum Beispiel den Wakkerpreis erhalten und später den Schulthess Gartenpreis für die Aufwertungen entlang des Aabachs (2014). Oder Meyrin: Da wurde die Gemeinde 2019 für den sorgfältigen Umgang mit dem Jardin botanique alpin als lebendigen Treffpunkt ausgezeichnet, und 2022 gab es den Wakkerpreis für Meyrins Einsatz für eine hohe Baukultur mit Biodiversität für alle. Um Doppelspurigkeiten zu vermeiden, haben wir uns geeinigt, wieder stärker von Objekten oder «Oasen» und den engagierten Menschen auszugehen und weniger von Institutionen.
JR: Das scheint mir der richtige Ansatz zu sein. Weil die Gartenkultur im Unterschied zum gebauten Kulturerbe tägliche Pflege braucht, geht es nicht ohne ehrenamtliches Engagement vieler Leute. Die Gartenkultur braucht Menschen, die für sie brennen – und zwar so, wie eine Gemeinde das nie leisten kann.
CM: Es ist immer spannend und berührend, den engagierten Menschen hinter den Projekten zu begegnen. Das hat für mich eine grosse Sinnhaftigkeit.
CM: Stimmt. Die Diskussion über die Ausrichtung des Preises und der Entscheid für die ICOMOS-Liste der historischen Gärten liefen parallel. ICOMOS war wichtig, weil wir das 25-Jahr-Jubiläum des Schulthess Gartenpreises feiern. Die Preisreihe hat mit der Auszeichnung für das Gartenarchiv begonnen, und da wollten wir bewusst eine Klammer setzen. Denn für den Erhalt von historischen Gärten oder Oasen sind Archive aber auch Listen respektive Inventare zentral. Als wir bemerkt haben, dass die Listen wenig Eingang in den Planungsalltag finden und kaum Garteninventare entstanden sind, haben wir entschieden, darauf aufmerksam zu machen. Archive und verbindliche Inventare sind das Fundament, um Grünräume zu erhalten.
JR: Tatsächlich brauchen wir Inventare, denn ohne sie hat die Gartendenkmalpflege keine Chancen. Und schauen Sie: Genau das Wort «Fundament» habe ich in der Vorbereitung für dieses Gespräch auch aufgeschrieben! Noch ein Wort zum Archiv: Der Schulthess Gartenpreis hat dem Archiv vor 25 Jahren einen richtigen Schub gegeben. Damals lagerten gewisse Nachlässe noch in Säcken. Jetzt ist eigentlich alles erfasst, wir können das Archivmaterial in unserer täglichen Arbeit einsetzen, und es wird publiziert und geforscht.
JR: Unbedingt! Nun hoffe ich, dass die ICOMOS-Listen einen ähnlichen Schub erfahren und die Gemeinden anhand dieses Verzeichnisses ihre Gärten endlich anschauen.
JR: Der Schulthess Gartenpreis hat bestimmt dazu beigetragen, dass die Wertschätzung für Gärten gestiegen ist. Die Kommission hat engagierte Menschen kennengelernt und deren Wirken öffentlich gemacht. Das gibt mir die Hoffnung, dass der Schulthess Gartenpreis noch viel zu Gunsten der Gartenkultur erreichen kann.
CM: Ich war kürzlich an der Tagung «Baukultur heute!», an der die Verankerung der Baukultur auf kommunaler Ebene diskutiert wurde. Die Bedeutung des Wakkerpreises wurde dort gewürdigt, der Schulthess Gartenpreis fand keine Erwähnung. Hier wünschte ich mir eine bessere Integration, denn Gärten, Parkanlagen, gestaltete Grünräume sind Bestandteil unserer Baukultur. Es wäre vielleicht das Ziel der nächsten 25 Jahre, hier eine selbstverständlichere Verflechtung zu erreichen.