Umwelt und Nachhaltigkeit

Verbindende Freiräume

Erhalten und Weiterbauen: Beides findet in der Siedlung Grabenacker in Oberwinterthur gleichzeitig statt. Brigitte Nyffenegger begleitet als Landschaftsarchitektin diesen Prozess der Veränderung seit vielen Jahren.

Im Zweiten Weltkrieg hatte sich die Wohnungsnot in der Schweiz breitgemacht. Wer wollte in Immobilien investieren, während in Europa die Bomben vom Himmel fielen? In der unsicheren Zeit griffen Bund, Kantone und Städte ab 1942 beherzt in den Markt ein und lancierten ein gross angelegtes System der Wohnbausubventionierung.

Die damaligen Vorgaben zur Subvention lassen sich an der Siedlung Grabenacker der Heimstätten-Genossenschaft Winterthur (HGW) ablesen: Im «Landi-Stil» entstanden von 1945 bis 1947 bescheidene Reihenhäuser in kostengünstiger und materialsparender Bauweise. Die Gärten vor den Häusern dienten zur Selbstversorgung der mehrköpfigen Familien.

Die Siedlung hat sich über Jahrzehnte hinweg als lebenswertes Wohnumfeld bewährt. Die gesellschaftlichen Veränderungen haben sich zugleich in die Nutzung eingeschrieben. Gerade an den Gärten sind diese Veränderungen ablesbar, hält die Landschaftsarchitektin Brigitte Nyffenegger fest: «Die Gemüsebeete wurden zu Rasen, die Sitzplätze dehnten sich mehr und mehr aus. Obstbäume und Sträucher verschwanden, und Thujahecken markierten das Private des Gartens.»

Die HGW beschloss vor rund zehn Jahren, die Siedlung mit ihren 144 Reihen- und 4 Mehrfamilienhäusern substanziell zu erneuern. Die Aufgabe war herausfordernd: Die Bewohnerinnen und Bewohner schätzen die Wohnumgebung und die moderaten Mietzinse. Gleichzeitig gab es im Grabenacker-Quartier einen steigenden Bedarf an kleineren Wohnungen. Und zugleich hatte der Kanton Zürich den Denkmalwert des Ensembles in seinem Inventar festgehalten.

Um die Möglichkeiten der Erneuerung im Bestand auszuloten, wurden ein Partizipationsprozess und danach eine Testplanung durchgeführt. «Die Eigentümerin hatte früh erkannt, dass der Freiraum ein prägendes Element der Siedlung ist, und hat die Landschaftsarchitektur von Beginn weg beigezogen», erklärt Brigitte Nyffenegger. Es sei ein Glücksfall, dass dasselbe Planungsteam über alle Phasen von der Testplanung bis zur Umsetzung zusammenarbeiten konnte: «Bauen im Bestand ist aufwendig und verlangt ein grosses gemeinsames Verständnis von den Aufgaben und Zielen.»

Die Reihenhäuser werden als Baudenkmäler integral erhalten. Was sich weiternutzen lässt, bleibt bestehen. Dies gilt auch für die Freiräume: «Was wir an Treppen, Mäuerchen oder Platten finden, wird zwischengelagert und später wieder eingesetzt. Wir wollen auch die Rasenflächen so unberührt wie möglich lassen. Der Tiefbauer musste erst lernen, dass man nicht überall Material ablagern darf.» Der Denkmalwert der Freiräume umfasst die Konzeption, die Raumqualität, die Gliederung und den Anteil an Grünflächen. Mit der Instandstellung soll das zeittypische «fliessende Grün» wieder erkennbar werden.

Ersetzt werden hingegen die Mehrfamilienhäuser der Siedlung. Das Ziel ist, mehr Wohnungsgrundrisse für unterschiedliche Lebensphasen anbieten zu können. Für Brigitte Nyffenegger steht fest: «Der Freiraum nimmt dabei eine wichtige Scharnierfunktion zwischen Alt und Neu ein und stärkt den Charakter als Ensemble.» 
 

Patrick Schoeck, Geschäftsführer BSLA

Zeitschrift

Dieser Artikel stammt aus der Zeitschrift Heimatschutz/Patrimoine 2/2025 «Berggemeinden im Aufbruch» (erschienen am 27. Mai 2025).