Carmela Friedrich in der Weiten Gasse in der Altstadt. Die Bäuerin betreibt einen Stand auf dem Wochenmarkt Baden. (Foto: Sophie Stieger)

Vier Portraits aus Baden

In den vergangenen 20 Jahren hat Badens Bevölkerung dank einer hochwertigen Stadtentwicklung Stück für Stück den öffentlichen Raum zurückerhalten. Wo
früher Autos parkierten, laden heute öffentliche Plätze und eine autofreie Innenstadt zum Flanieren und zum Verweilen ein. Baden zieht viele Menschen an, die hier arbeiten, wohnen, einkaufen und kulturelle Anlässe geniessen.

Vier Porträts von Karin Salm, Kulturjournalistin, aus der Publikation Wakkerpreis 2020 – Baden

Carmela Friedrich: Wir sind eine richtige Marktfamilie

«In der Weiten Gasse haben wir unseren Markstand gleich neben dem Löwenbrunnen und dem Stadttor. Das ist ein schöner Platz: Im Sommer ist er angenehm schattig. Im Winter ist es vielleicht etwas kühl, aber daran gewöhnt man sich, und der Stand ist so gut eingerichtet, dass das Gemüse keinen Schaden nimmt. Seit 30 Jahren sind mein Mann und ich in Baden auf dem Wochenmarkt. Wir haben eine treue Stammkundschaft, und ich habe den Eindruck, dass die Leute hier in Baden besonders freundlich sind. Wir kommen auf jeden Fall gerne. Ich schätze diesen Kontakt und den Austausch. Wir sind hier eine richtige Marktfamilie. Früher war der Markt auf dem Kirchplatz. Dann wurde er wegen Bauarbeiten in die Weite Gasse gezügelt. Das war toll, weil hier viel mehr Leute en passant vorbeikommen. Darum hat sich die Marktvereinigung dafür eingesetzt, dass der Wochenmarkt hier stattfindet.»

Baden: Robert Gartner Baden: Robert Gartner
Robert Gartner in der Parkanlage der Villa Langmatt. Er ist Teamleiter Grünanlagenunterhalt der Stadt Baden. (Foto Sophie Stieger)

Robert Gartner: Für einen Gärtner ist dieser Park grossartig

«Als die Stadt diesen herrschaftlichen Park 1990 übernommen hat, war er in einem desolaten Zustand. Total verwildert! Gemeinsam mit dem Landschaftsarchitekten Paul Stöckli haben wir ihn wieder instand gestellt: Wir haben Partien ausgelichtet, wuchernde Hecken in Form geschnitten, Wege angelegt und Staudenrabatten angepflanzt. Für einen Gärtner ist dieser Park wegen seiner Vielseitigkeit grossartig. Fast ein Paradies. Das Schneiden der Eibenhecke mit den Vogelfiguren erfordert viel Geschick. Weil die Hecke so riesig ist, müssen wir ein Baugerüst aufstellen. Jetzt habe ich das Schneiden jüngeren Mitarbeitern übergeben. Ich werde bald pensioniert. In den letzten Jahren ist die Biodiversität wichtiger geworden. Wo überall möglich legen wir naturnahe Flächen an. Wir haben Wiesen angesät für die Insekten und machen am Rand grosse Asthaufen für Igel, Reptilien und andere Kleintiere.»

Baden: Simon Lipsig Baden: Simon Lipsig
Simon Libsig im Alten Stadtfriedhof. Der Autor und Slam-Poet wohnt mit seiner Familie in Baden. (Foto: Sophie Stieger)

Simon Libsig: ein Blick in die Ewigkeit

«Für mich ist der Alte Stadtfriedhof ein Geschichtenpark. Wie eine Bibliothek beflügelt er die Fantasie. Wenn ich im Büro mit einem Text nicht weiterkomme, mache ich manchmal einen Abstecher hierher. Ich setze mich irgendwo in die Sonne, meistens löst sich der Schreibstau. Auch mein Sohn Lino mag den Stadtfriedhof. Eine Zeitlang haben wir jedes Mal den Andresli besucht. Das ist eine kleine Skulptur aus weissem Stein. Über Andresli, der 1936 gestorben ist, habe ich eine Geschichte geschrieben, die über Umwege dazu geführt hat, dass sich zwei Männer gemeldet haben. Es waren Andreslis Brüder, die gar nichts von dieser Skulptur wussten. Neben den Geschichten fasziniert mich die Gleichzeitigkeit: Während die Kinder hier einen Spielplatz haben, ruhen die Toten. Das ist nicht beklemmend, sondern magisch. Und sehen Sie: Der Blick durchs Eingangstor ist wie ein Blick in die Ewigkeit.»

Baden: Sibylle Wälty Baden: Sibylle Wälty
Sibylle Wälty auf dem Schlossbergplatz am Eingang zur Altstadt. Sie ist Architektin und Doktorandin am ETH-Wohnforum und wohnt mit ihrer Familie in Baden. (Foto: Sophie Stieger)

Sibylle Wälty: die Bevölkerung sensibilisieren

«Haben Sie bemerkt, wie viele Strassen auf den Schlossbergplatz münden? Dieser Platz ist eher ein Durchgangsort, mit vielen Passanten und wenigen Möglichkeiten zum Verweilen. Für den Verein «Stadtlabor» war es darum genau der richtige Ort, im August 2019 die temporäre «Planbar» einzurichten. Mit ihr als Stützpunkt wollten wir die Bevölkerung auf lockere Art ansprechen und sie für Stadtentwicklung sensibilisieren. Mit einem Bier oder Kaffee in der Hand diskutierten wir mit Menschen über die Chancen der baulichen Verdichtung in Baden, über mehr Wohnraum und grösserer Nähe zu Läden und Freizeitangeboten. Dadurch könnten zum Beispiel Quartierläden überleben und ein noch besseres ÖV-Netz entstehen. Autos braucht es dann kaum noch. Als Forscherin und Architektin interessieren mich die haushälterische Bodennutzung und der Stadtraum. Dieser soll auf Fussgänger und Velofahrerinnen ausgerichtet sein.»