Ein wichtiges Postulat des RPG lautet: verdichten. Das beisst sich oft mit dem Ortsbildschutz.
Ja. Das Gesetz schreibt vor: Innenentwicklung statt Aussenentwicklung. Das birgt zwangsläufig Konflikte. Hinzu kommt, dass das Bundesgericht 2009 festhielt, dass das Inventar der schützenswerten Ortsbilder der Schweiz (ISOS) nicht nur bei der Erfüllung einer Bundesaufgabe, sondern auch von den Kantonen und Gemeinden zu berücksichtigen ist. Eigentlich ist das ISOS ein Geschenk. Welches Land hat schon ein Inventar, in dem Ortsbilder von nationaler Bedeutung, derart gut dokumentiert wird? Daher finde ich es auch wenig sinnvoll, wenn im Parlament stets von Neuem versucht wird, die Vorgaben des ISOS zu lockern. Aber ich weiss: Das ISOS und seine Anwendung sind eine anspruchsvolle Angelegenheit. Der rechtliche Stellenwert des Inventars ist nicht ohne Weiteres ersichtlich, und entsprechend sind auch die Rollen der einzelnen Akteure – Grundeigentümer, Bewilligungsbehörden und begutachtende Fachkommissionen des Bundes (ENHK, EKD) – unklar. Hinzu kommt, dass die Inventarisierungen teilweise sehr alt sind und sich die umschriebenen Ortsbilder aufgrund der baulichen Entwicklung stark verändert haben.
Was tun?
Die Antwort gibt das RPG: Es verlangt eine hochwertige Verdichtung. Zentral ist für mich dabei der Umgang mit dem Ortsbild und somit mit dem baukulturellen Erbe. Weshalb haben viele Menschen ein Unbehagen gegenüber der heutigen Entwicklung? Es ist nicht nur auf den Verlust des Kulturlands und die Zerstörung der Landschaft zurückzuführen, sondern auch, weil dem Ortsbildschutz zu wenig Rechnung getragen wird. Städte und Dörfer werden entwickelt, ohne dass man sich mit der Geschichte, der Struktur und den Besonderheiten eines Ortes auseinandersetzt. Das Ergebnis sind nicht selten anonyme, gesichtslose Siedlungen, in denen sich die Menschen entwurzelt und nicht mehr heimisch fühlen.
EspaceSuisse und Schweizer Heimatschutz haben oft Berührungspunkte ...
… und daher immer einen guten Austausch. Seit die Innenentwicklung noch stärker zum Thema geworden ist, hat sich unsere Zusammenarbeit intensiviert – auch in Bezug auf die Förderung der Baukultur. Grundsätzlich muss ich dem Schweizer Heimatschutz ein Kränzchen winden: für seinen extrem guten Auftritt und wie er sich in den letzten Jahren immer wieder neuen Themen zugewendet hat.
Dieses Gespräch erscheint in einer Ausgabe der Zeitschrift in der nicht Baudenkmäler, sondern Ortsbilder, Stadtlandschaften oder Streusiedlungen samt den angrenzenden Kulturlandschaften im Zentrum stehen – ein verzahntes Schauen.
Ein guter Zeitpunkt für diesen Blick, denn zur Innenentwicklung gehören auch die Frei- und Grünräume und ihr Bezug zum Aus-senraum, zur Landschaft. Verzahntes Denken ist heute nötiger denn je, denn neben der Verdichtung verlangt auch der Klimawandel einen Fokus auf Grün- und Freiräume. In dieser Hinsicht haben die Städte bereits viel unternommen. Jetzt muss man schauen, dass diese Errungenschaften auch unter dem Druck der Verdichtung erhalten bleiben.
Und was geschieht mit den «übrigen» Landschaften?
Die landschaftlichen Perlen sind durch Inventare geschützt. Wir haben aber auch Alltagslandschaften. Sie sind wertvoll und gefährdet. Ihre Zerstörung kommt schleichend und beinahe unbemerkt. Hier müssen wir achtsam sein. Deshalb braucht es auch strenge Vorschriften zum Bauen ausserhalb der Bauzone.
Ende 2019 sind Sie frühzeitig in Pension gegangen, seit 1. Mai 2020 trifft man Sie in Ihrer Firma Bellaria Raumentwicklung an. Machen Sie weiter, wo Sie aufgehört haben?
Ja, aber mit einem viel kleineren Arbeitspensum. Was ich in all den Jahren an Wissen und Erfahrung angesammelt habe, möchte ich gerne weitergeben.