Poschiavo, eingebettet in die Alpen und von mediterranem Einfluss geprägt, erzählt die faszinierende Geschichte eines einst florierenden Handelsorts zwischen Graubünden und Italien. Nach einem wirtschaftlichen Einbruch Ende des 18. Jahrhunderts, ausgelöst durch Napoleons Übernahme des Veltlins, wanderten viele Bewohner aus, um als Zuckerbäcker in europäischen Metropolen ihr Glück zu suchen. Der zurückgebrachte Wohlstand und städtisches Flair prägen durch die eleganten Patrizierhäuser, die «Palazzi», bis heute das Ortsbild. Zusammen mit der gut ablesbaren historisch gewachsenen Struktur Poschiavos sind sie heute im Bundesinventar der schützenswerten Ortsbilder der Schweiz von nationaler Bedeutung (ISOS) eingetragen.
Poschiavo ist ein Vorbild für den umsichtigen Umgang mit Baukultur. Die Gemeinde hat ihren historischen Bestand sorgfältig inventarisiert und Baureglemente entwickelt, die eine qualitativ hochwertige Instandhaltung und Weiterentwicklung garantieren. Neue Bauten orientieren sich an den traditionellen Grundsätzen, um das Ortsbild zu erhalten. Auch ausserhalb des Dorfzentrums lebt die Verbindung von Kultur und Natur: Die traditionellen Maiensässe, einst wichtige Elemente der Stufenwirtschaft, werden weiterhin genutzt und gepflegt.
Ihre Abgeschiedenheit hat die Gemeinde zu einem Modell für regionale Eigenständigkeit gemacht. Von einem eigenen Spital über Fernwärmeanlagen bis hin zu Schulen und einer Bibliothek – Poschiavo stellt seinen Einwohnerinnen und Einwohnern eine umfassende Grundversorgung zur Verfügung. Auch ein breites Kulturangebot trägt zur Lebensqualität bei: Dank engagierter Bürgerinnen und Bürger ist das Tal Schauplatz von Konzerten, Kunstausstellungen, Tanz- und Kinoveranstaltungen.
Diese Eigenständigkeit ist ein entscheidender Faktor im Kampf gegen die Abwanderung, die viele Bergregionen betrifft. Poschiavo beweist, dass eine starke Gemeinschaft und kluge Planung zentrale Bausteine für eine lebenswerte Zukunft sind.
Die natürliche Vielfalt des Valposchiavo ist beeindruckend: Vom Berninagebiet über den Gletschergarten Cavaglia bis hin zu idyllischen Bergseen bietet die Region eine spektakuläre Landschaft. Doch Poschiavo beschränkt sich nicht auf Bewahrung – die Gemeinde gestaltet ihre Kulturlandschaft aktiv weiter: Die traditionellen Terrassenlandschaften werden wiederhergestellt und heute wieder für den Anbau von Gemüse und Kräutern genutzt. Poschiavo ist zudem eine Vorreiterin in der biologischen Landwirtschaft – bereits über 90% der landwirtschaftlichen Flächen sind biozertifiziert. Mit dem Projekt Smart Valley Bio fördert die Gemeinde eine Kreislaufwirtschaft, bei der die gesamte Wertschöpfungskette vom Anbau, über die Verarbeitung bis hin zur Vermarktung im Tal bleibt.
Poschiavo zeigt eindrucksvoll, wie periphere Regionen ihre Potenziale nutzen können. Durch die Verbindung von Baukultur, Eigenständigkeit, nachhaltiger Landwirtschaft und zivilem Engagement hat sich die Gemeinde gegen die Abwanderung behauptet und eine hohe Lebensqualität geschaffen.
Mit dem Wakkerpreis 2025 würdigt der Schweizer Heimatschutz diesen Einsatz. Poschiavo ist nicht nur ein Beispiel für gelungene politische und administrative Strategien, sondern auch ein Beweis dafür, dass gesellschaftliches Engagement und Zusammenhalt eine Berggemeinde zu einem qualitativ hochwertigen Wohn- und Arbeitsort gestalten können.
Die offizielle Preisübergabe findet am 23. August 2025 im Rahmen einer öffentlichen Feier statt.
«Ich freue mich sehr und bin stolz darüber, dass die Gemeinde Poschiavo den Wakkerpreis 2025 erhält. Die Auszeichnung ist die Folge einer 360-Grad-Analyse dessen, was in der Gemeinde im Laufe der letzten Jahre entstanden ist: eine hochwertige Entwicklung.»
Giovanni Jochum, Gemeindepräsident Poschiavo
Der Schweizer Heimatschutz vergibt jährlich den Wakkerpreis. Er zeichnet Gemeinden aus, die bezüglich Ortsbild- und Siedlungsentwicklung besondere Leistungen vorzeigen können. Hierzu gehören insbesondere das Fördern gestalterischer Qualität bei Neubauten, ein respektvoller Umgang mit der historischen Bausubstanz sowie eine vorbildliche Ortsplanung, die Rücksicht auf die Anliegen der Umwelt nimmt.
Erstmals ermöglicht wurde der Wakkerpreis 1972 durch ein Vermächtnis des Genfer Geschäftsmannes Henri-Louis Wakker an den Schweizer Heimatschutz. Seither sind weitere Legate und Spenden eingegangen, dank denen der Schweizer Heimatschutz den Preis bis heute vergeben kann.
David Vuillaume, Geschäftsführer Schweizer Heimatschutz,
david.vuillaume(at)heimatschutz.ch, Tel. 076 367 29 37
Myriam Perret, Projektleiterin Wakkerpreis, Schweizer Heimatschutz,
myriam.perret(at)heimatschutz.ch, Tel. 076 466 32 94
Giovanni Jochum, Gemeindepräsident Poschiavo,
giovanni.jochum(at)poschiavo.ch, Tel. +41 79 222 04 34
Medienmitteilung vom 14. Januar 2025
Ein zukunftsweisendes Modell für Bergregionen: Wakkerpreis 2025 des Schweizer Heimatschutzes an die Gemeinde Poschiavo GR
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Keystone (kostenpflichtig)